Mit 140 km/h im Ballon über die Alpen nach Italien
Es war -fast- alles wie schon die Jahre vorher. Nach langer Wartezeit kam sie wieder, die Mail von Hans Kordel, erfahrener Alpenüberquerer und einziger Ballonhersteller in Deutschland völlig unvorbereitet und unerwartet am Freitag mittag, 30. November: Alpenüberquerung für Montag 3. Dez. ab Sonthofen. Die Schippe für die Gartenarbeit wurde schnell in die Ecke gestellt, die 10 to. Trockenmauersteine durften warten, das Telefon wurde bemüht, um die Mannschaft zusammen zu trommeln. Alles klappte unerwartet schnell. Nachbar Erhard Mankel stand sowieso schon in den Startlöchern, als 2. Pilot wurde Alex Stahl aus Driedorf - Mademühlen schnell gefunden.
Das Wetter sah wieder vielversprechend aus: Wind aus 340 bis 350 Grad mit 50 bis 70 Knoten in 5000 m Höhe. Am Boden sowohl in Sonthofen als auch in Italien wenig Wind und vor allem kein Nebel zur Landezeit. Einziger Unsicherheitsfaktor: wie wird das Wetter zur Startzeit aussehen?
In der Nacht zum Abfahrtstag -Sonntag- Schneefall bis in die Niederungen. Während der ganzen Fahrt gen Süden Schnee bei Gott sei Dank wenig Autobahnverkehr bis Sonthofen. Bei der Autobahnabfahrt lasse ich die Checkliste vor meinem geistigen Auge nochmals vorüberziehen und erschrecke: haben wir die beiden Sauerstoffanlagen eingepackt. Ein Anruf zu Hause bestätigt es, die beiden Anlagen liegen noch im Keller. Ich sehe mich schon wieder auf dem Weg nach Hause. Die Ankunft bei Ernst Bauer, hilfsbereiter Ballonpilot und unser Wirt in Sonthofen, beruhigt uns. Er kann uns eine Anlage für beide zur Verfügung stellen.
Nach einem hervorragenden argentinischen Steak in Ernst Bauer's Landhotel wird letztmals das Wetter gecheckt, der Flugplan aufgegeben und die neue Sauerstoffanlage ausprobiert. Das Wetter sieht vielversprechend aus - auch zur Startzeit - soll es eine Wolkenlücke zwischen 10 und 12 Uhr geben, die einen Start ermöglicht. Am nächsten Morgen Ernüchterung, es hatte die ganze Nacht geschneit, die Autos und Anhänger mussten von 20 bis 25 cm Schnee befreit werden, von Sonne keine Spur.
Wir vertrauen dem Wetterbericht und fahren zum Startplatz um die Ecke, den Ernst bereits in der Einfahrt vom Schnee hatte räumen lassen und stellen den Ballonkorb in Startposition. Petrus muss gemerkt haben, dass wir da waren, öffnete die Wolkendecke und ließ die weiteren Startvorbereitungen in hellem Sonnenlicht und weiß gezuckerter Umgebung zu einem Erlebnis par excellance werden.
Es dauert schon eine Weile bis sich die 260 kg Gas, die komplette Notfallausrüstung aus Biwakzelt, Essens- und Kochvorräten, Fackeln, Schlafsack, Isomatte etc. alles in allem ca. 1 to. Startgewicht, angefeuert durch die 2500 PS starken Brenner nach oben bewegen. Was einen dann erwartet, lässt sich einmal mehr nicht in Worte fassen: die Faszination einer dreidimensionalen sich langsam unter einem hinwegdrehenden Welt, eingetaucht in glitzerndes Weiß des frischen Schnees, umrahmt vom hellen Blau der erwärmenden Sonne. Es ist unbeschreiblich und lässt einen immer wieder neu erfahren und intensiver denn je erleben, warum man dieses Hobby nach allen Richtungen auskostet.
Es geht höher und höher bis auf die vom Innsbrucker Controller freigegebene Flugfläche 130 (4000m). Es geht vorbei an mir unbekannten Bergen, Dörfern und Tälern. In der weiteren Entfernung kann man Innsbruck erahnen, erst dass GPS sagt mir, dass wir den Gepatsch-Stausee im Kaunertal und etwas weiter östlich den Pitztalgletscher überfahren werden. Man kann sogar die schon selbst benutzten Skilifte 1000 m tiefer erkennen. Die Wolken unter uns haben sich mittlerweile gänzlich aufgelöst; der Controller in Padua lässt uns nun auf Flugfläche 160 (5000 m) steigen während unser GPS stur Kurs 160° bei immer über 110 km/h anzeigt, die Spitzengeschwindigkeit betrug sogar 140 km/h. Das Equipment von Schroeder Fireballoons mit Gasphase auf der Pilotflamme ist top in Ordnung und funktioniert bestens. Es gibt keine Aussetzer oder Probleme in der Brennerleistung; nur einmal sind wir etwas verwirrt: obwohl bereits 120 Grad Hüllentemperatur erreicht sind, sinken wir dennoch mit 2 m/sek . Die Erklärung ist genauso simpel wie einleuchtend: wie befinden uns im absteigenden Ast einer laminaren Wellenströmung und ist genauso schnell wieder vorbei wie sie uns vorher angehoben hat.
Nach etwa 1,5 Stunden Fahrzeit tauchen wir in die weniger verschneite Bergwelt Südtirols ein, erkennen Meran und Bozen links von uns, überfahren die Brenner-Autobahn etwas nördlich von Trient während sich die Verfolger Jochen und Erhard mit Staus und Umleitungen in Innsbruck und später am Brenner abquälen müssen.
Es geht alles viel zu schnell und unsere Gasvorräte würden noch die nächsten 4 Stunden halten. Sollen wir in Venedig landen? Richtung und Windstärke passen excellent nachdem wir schon etwas abgestiegen sind. Wir lassen aber wieder von dem Gedanken ab und entschließen uns hinter der Ost-West-Autobahn Norditaliens eine Landestelle zu suchen. Im Abstieg verabschieden wir uns vom Controller in Padua, überfahren noch die Berge südlich Vicenzas, ändern dabei unsere Fahrtrichtung nach Nordost.
Bereits nach kurzer Zeit geben wir es auf eine Wiese zu finden, sondern landen -leider- bei nicht vorhergesagten 25 - 27 km/h Bodenwind krachend auf einem Maisacker zwischen Vicenza und Padua mit einer ca. 75 m langen Schleifspur. Gott sei Dank ist keine Elektronik kaputt gegangen, dafür wurden Mikrofon, Handschuhe, Notfallrucksack einem verstärkten Stresstest unterzogen. Defekt ging letztlich unser Kartenbrett, das bei der Landung unter den Korb geriet. Eine Lehre für das nächste Mal ist, alle Dinge, die während der Fahrt außen am Korb hängen, kurz vor der Landung in den Korb zu bekommen.
Das abschließende Resultat laut: GRANDIOS, 252 km in 3 Std 20 min bei teilweise 140 km/h Spitzengeschwindigkeit. Ein hervorragender Dank geht einmal mehr an Hans Kordel für die professionelle Vorbereitung und Erhard Mankel, Alex Stahl mit seinem Rücklholer Jochen für die strapaziösen Anstrengungen dieses Unternehmens. Bis zum nächsten Mal, wir freuen uns schon.
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Über diese Datei kann man sich den Track in Google Earth anschauen. OP-Bericht vom 07.01.2013; Fortsetzung des Berichts oder als PDF (ca. 2 MB) |